Die digitalisierte Welt von morgen: nachhaltig und ethisch verantwortbar
Sven Neumann ist zertifizierter Aufsichtsrat und Spezialist für digitale Transformation. In diesem Gastbeitrag unterstreicht er die Bedeutung der Faktoren Nachhaltigkeit und Ethik für die Unternehmensstrategie und die damit zusammenhängende Verantwortung des Aufsichtsrats.
Die Welt ist auf allen Ebenen in einer Transformation begriffen. Ökonomische, ökologische, gesellschaftliche und politische Umbrüche sowie die digitale Revolution bestimmen unsere Erfahrungen und fordern von den Unternehmen ein äußerst hohes Maß an Anpassungsfähigkeit und Lernbereitschaft.
All diese Entwicklungen sind eng verflochten mit der digitalen Transformation aller technologischen Prozessebenen. Der digitalen Technologie kommt eine komplexe Steuerungsfunktion zu: Einerseits macht sie die Umsetzung der transformativen Umbrüche erst möglich. Sie erlaubt es, aus den unzähligen Daten, die für die Verwirklichung solcher Programme notwendig sind, Entscheidungshilfen sowie konkret einsetzbare Tools für ihre Implementierung zu schaffen. Ohne Big Data, soziale Medien, Cloud Services, Künstliche Intelligenz oder Machine Learning werden die großen Themen ökologischer und sozialer Wende-Projekte niemals verwirklicht werden können – als Stichworte können die intelligente Steuerung unserer Stromversorgung, aber auch nachhaltige Produktions- und Servicekonzepte in den Unternehmen dienen.
In dieser Hinsicht fungiert die Digitalisierung also als Transformationsinstrument. Doch umgekehrt gilt: Durchbrüche auf dem Feld der digitalen Technologie ermöglichen neue Strategien und Projekte für Nachhaltigkeit, Ressourcenschonung sowie Umwelt- und Klimaschutz. So verändert z. B. die digitalisierte Gesellschaft die Kundenerwartungen und -ansprüche drastisch, was wiederum innovative Geschäftsmodelle (Amazon, Ebay, Uber etc.) hervorbringt.
Aber auch die Digitalisierung selbst sieht sich der Forderung nach Nachhaltigkeit gegenüber. Schließlich sind digitale Infrastrukturen energie- und ressourcenintensiv. Daraus ergibt sich eine hohe Motivation, die Verbräuche der digitalisierten Systeme aller Art zu minimieren und bereits im Design- und Entwicklungsprozess die Anforderungen einer Kreislaufwirtschaft miteinzubeziehen. Das Spannende daran: Auch bei der Implementierung von Nachhaltigkeit in die digitale Welt erweist sich gerade die digitale Technologie als der wirksamste „Enabler“. Sensorik, Datenanalyse, Automatisierung und Konzepte wie vorausschauende Wartung und die Entwicklung digitaler Produktmodelle („digitaler Zwillinge“) sind wichtige Hebel zur Förderung eines nachhaltigen Betriebs der digitalen Infrastruktur.
Unternehmen – und Aufsichtsräte – in der Pflicht
Somit ist die digitale Technologie sowohl Instrument als auch Motor nachhaltiger Transformation. Die Unternehmen sind dabei als Anwender, Entwickler, Produzenten und Dienstleister ein entscheidender Faktor bei der Verwirklichung einer nachhaltigen Zukunft. Sie steuern und werden gesteuert, in jedem Fall ist ein wirtschaftliches Überleben ohne aktive Beteiligung an diesem Prozess nicht mehr möglich. Für Aufsichtsräte bedeutet dies: Die Forderung nach hoher Digitalkompetenz muss ergänzt werden durch die Forderung nach einem tieferen Verständnis für die Aufgabenstellungen des Jahrhunderttrends Nachhaltigkeit. Bei allen Business-Entscheidungen ist dieser Faktor mit zu berücksichtigen. Es darf keine Prozesselemente mehr geben, die nicht auf ihre Nachhaltigkeit abgeklopft sind. Da Aufsichtsräte ohnehin gewöhnt sind, über das reine Tagesgeschäft hinauszudenken, ist bei ihnen der nötige Weitblick am ehesten vorauszusetzen. Eine intensive und kontinuierliche Beschäftigung mit den sozialen und ökologischen Gesichtspunkten der Geschäftsprozesse ist dabei unerlässlich.
Nachhaltigkeit und Ethik gehören zusammen
Doch damit nicht genug: Ein eng mit dem Thema Nachhaltigkeit verknüpfter Gesichtspunkt des Digitalisierungsprozesses ist der ethische Umgang mit den technologischen Systemen. Schließlich gibt es zahlreiche Risiken auf den unterschiedlichsten Ebenen, die über Selbstverpflichtungen und regulatorische Maßnahmen entschärft werden müssen. Dazu gehören etwa der Verlust an informationeller Selbstbestimmung, die Gefahr von Manipulation und der Einschränkung der Meinungs- und Informationsfreiheit, die Folgen von Prozessintransparenz im digitalen Raum, aber auch die Sicherheitsproblematik im Zusammenhang mit der fast totalen Abhängigkeit aller Lebensbereiche von digitalen Infrastrukturen. Hier ist wieder das Verantwortungsbewusstsein der Unternehmen (und damit automatisch der Aufsichtsräte) gefragt – auch im wohlverstandenen Eigeninteresse.
Fazit
Die gesellschaftsweit akzeptierte und geforderte Transformation der Marktwirtschaft in eine nachhaltige und ethisch vertretbare Ökonomie verlangt von den Unternehmen – und konkret auch von den Aufsichtsräten – ein hohes Maß an Kompetenz. Von ihrem Verantwortungsbewusstsein hängt zum großen Teil ab, ob und wie der Weg in eine nachhaltige und ethisch abgesicherte digitalisierte Welt gelingen wird.
Zum Autor
Sven Neumann ist Geschäftsführer des Thinktanks impacts4u. Er gilt als Spezialist für Unternehmenstransformation, insbesondere als Vordenker und Umsetzer für effiziente Transformationsprojekte auf den Sektoren Innovation und Digitalisierung. Sven Neumann bekleidete über 20 Jahre lang Führungspositionen in Unternehmen des inhabergeführten Mittelstands. Er begleitet und unterstützt mittelständische Unternehmen unterschiedlicher Branchen auf operativer und strategischer Ebene bei der Verwirklichung ihrer Unternehmensziele. Zudem engagiert er sich auf den Gebieten Weiterbildung und Wissenstransfer sowie in zukunftsorientierten Netzwerken und Plattformen.
Titelbild: Shutterstock / Black Salmon