Die komplexe kommunikative Rolle von Aufsichtsratsvorsitzenden
Dr. Sandra Binder-Tietz ist Kommunikationsexpertin und promovierte 2022 zur „Kommunikation von Aufsichtsräten“. In ihrem Gastbeitrag wirft sie einen Blick auf die kommunikative Rolle von Aufsichtsratsvorsitzenden und deren Entwicklung.
Aufsichtsratsvorsitzende haben zu schweigen – das war lange Zeit die Devise. Doch die Zeiten ändern sich. Die steigende Relevanz der Corporate Governance und die damit verbundenen höheren Anforderungen an Aufsichtsräte haben dazu geführt, dass die Rolle der Aufsichtsratsvorsitzenden als Kommunikatoren zunehmend in den Fokus rückt.
Die Bedeutung der Aufsichtsratskommunikation
Die Bedeutung der Aufsichtsratskommunikation nimmt aus mehreren Gründen zu. International agierende Investoren erwarten vermehrt direkte Kommunikation mit Aufsichtsratsvorsitzenden. Änderungen im Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) legitimieren den Investorendialog und tragen zur verstärkten Bedeutung bei. Unternehmenskrisen sowie eine neue Generation von Aufsichtsratsvorsitzenden beeinflussen die öffentliche Wahrnehmung. Die Stakeholder, darunter Investoren und Journalisten, haben klare Erwartungen an die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden, insbesondere in Sondersituationen.
Aufsichtsratsvorsitzende haben eine Vielzahl von Stakeholdern, die auf die Kommunikation blicken. Dies sind allen voran die Mitglieder des Aufsichtsratsgremiums, der Vorstand, aber auch Führungskräfte des Unternehmens. Der Blick nach außen zeigt, dass nicht nur Investoren, sondern auch Stimmrechtsberater und Journalisten immer häufiger ihre Fragen direkt an den Aufsichtsrat stellen. Diese vielschichtige Kommunikationslandschaft erfordert ein hohes Maß an Sensibilität, interner Abstimmung und strategischem Geschick.
Die Themen und Anlässe bei denen Aufsichtsratsvorsitzende kommunizieren (sollten), sind dabei klar von denen der CEOs abzugrenzen. Aufsichtsratsvorsitzende sind die Ansprechpartner für klassische Aufsichtsratsthemen, wie Besetzung, Entlassung und Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat oder die Abschlussprüfung. Diese Themen liegen im Verantwortungsbereich des Aufsichtsrats – sodass Vorstände nicht dazu sprechen (können).
Interne Kommunikation als zentrale Aufgabe des Aufsichtsrats(vorsitzenden)
Insbesondere die interne Kommunikation stellt eine zentrale Aufgabe für Aufsichtsratsvorsitzende dar. Die Kommunikation innerhalb des Aufsichtsratsgremiums erfolgt hauptsächlich in Form von Sitzungen, die durch persönliche Gespräche zur Vorbereitung ergänzt werden. Die Kommunikation im Gremium selbst wird von Aufsichtsratsvorsitzenden als zentrale Aufgabe ihrer Rolle betrachtet, wobei Transparenz, Offenheit und eine gute Diskussionskultur von entscheidender Bedeutung sind.
In Sondersituationen wird die Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden innerhalb des Aufsichtsratsgremiums von den Experten als besonders wichtig eingestuft. Vor allem der Austausch mit den Arbeitnehmervertretern ist elementar, da diese ihre Positionen als Betriebsrat oder Gewerkschaftsvertreter ebenfalls gegenüber der (Betriebs-)Öffentlichkeit vertreten müssten. Ein respektvoller Umgang, bei dem die Meinungen gehört würden, hilft dabei, tragfähige Entscheidungen im Gremium treffen zu können. Wenn vertrauliche Einzelheiten aus Aufsichtsratssitzungen an die Medien gelangen, handelt es sich meist um gezielte Indiskretionen.
Der Austausch mit dem Vorstand erfordert eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Dabei fungieren Aufsichtsratsvorsitzende als Bindeglied zwischen dem Vorstand und dem Aufsichtsrat, wobei sie als Sounding Board für strategische Überlegungen dienen und sicherstellen, dass alle relevanten Informationen transparent und zeitnah zur Verfügung gestellt werden.
Darüber hinaus sollten auch die Führungskräfte des Unternehmens als wichtige Stakeholder der Aufsichtsratskommunikation betrachtet werden. Ihre Fachexpertise und ihre Rolle bei der Nachfolgeplanung machen sie zu wichtigen Ansprechpartnern für Aufsichtsratsvorsitzende.
Es ist empfehlenswert, die Kompetenzen und Verantwortlichkeiten für die Aufsichtsratskommunikation intern konkret abzustimmen. Idealerweise sollten CEO, Aufsichtsratsvorsitzende und Kommunikationsverantwortliche gemeinsam zur Kommunikation sprechen. Die klare Abgrenzung der Themen und eine transparente interne Kommunikation sind entscheidend für eine erfolgreiche Zusammenarbeit.
Aufsichtsratsvorsitzende als Repräsentanten und Adressaten guter Corporate Governance
Die Aufsichtsratskommunikation nach außen ist vor allem durch gesetzlich definierte Regelkommunikation bestimmt, allen voran dem Aufsichtsratsbericht und dessen Erläuterung auf Hauptversammlungen. Es gibt aber auch freiwillige Maßnahmen: so ist der Investorendialog nach dem DCGK bereits fest in der Investor-Relations-Arbeit vieler DAX-Unternehmen angekommen. Der Investorendialog wird als legitim angesehen, wobei die Entscheidung über Gesprächspartner und -konstellation den Aufsichtsratsvorsitzenden obliegt. Hier fungiert die Investor-Relations-Abteilung als wichtige Ressource.
Darüber hinaus finden sich eine Vielzahl anderer freiwilliger Kommunikationsmaßnahmen von Aufsichtsratsvorsitzenden mit Medien, Stimmrechtsberatern und anderen Stakeholdern. Diese erfolgen durch Hintergrundgespräche, Interviews, Social-Media-Nutzung und persönliche Gespräche – dies alles ist gesetzlich nicht definiert, aber die Unternehmensrealität.
Fazit: Aufsichtsratskommunikation als Teil des Reputationsmanagements
Aufsichtsratskommunikation ist ein strategisches Element, kein Luxus. Es geht dabei um transparentes Reputationsmanagement – sehr punktuell und fokussiert.
Aufsichtsratsvorsitzende sind relevante Kommunikatoren für börsennotierte Unternehmen und sollten ihre Rolle als solche ernst nehmen. Diese kommunikative Rolle ist jedoch äußerst komplex und erfordert eine strategische Herangehensweise. Durch eine klare Abgrenzung der Themen und eine transparente interne Kommunikation können Aufsichtsratsvorsitzende dazu beitragen, das Vertrauen der Stakeholder zu stärken und das langfristige Wohl des Unternehmens zu fördern.
Zur Autorin
Dr. Sandra Binder-Tietz ist Geschäftsleiterin des Center for Research in Financial Communication, einem Kompetenzzentrum für Finanzkommunikation und Investor Relations, und Geschäftsleiterin der Günter-Thiele-Stiftung für Kommunikation und Management. Sie ist zudem am Lehrstuhl für Kommunikationsmanagement der Universität Leipzig tätig. Sie promovierte 2022 zur „Kommunikation von Aufsichtsratsvorsitzenden“. Mehr Infos: https://aufsichtsrat-kommunikation.de/
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