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Der digitale Beirat

Rudolf X. Ruter gilt als einer der anerkanntesten Fachexperten für das Thema Corporate Governance in Deutschland. In diesem Gastbeitrag befasst er sich mit der Rolle und den Aufgaben des digitalen Beirats.

Kann der Mensch digitalisiert werden?

Eine vollständige Digitalisierung des Menschen, im Sinne einer Überführung des menschlichen Bewusstseins oder Seins in eine digitale Form, gehört derzeit noch in den Bereich der Science-Fiction und philosophischen Spekulation. Es gibt jedoch Fortschritte in der Digitalisierung menschlicher Aspekte, wie z. B. die Erfassung und Analyse von Gesundheitsdaten durch tragbare Technologien oder die Schaffung digitaler Avatare in virtuellen Realitäten. Trotzdem ist sicher, dass der Mensch nicht digital transformiert werden kann – auch bei allen Anstrengungen.

Was ist Digitale Transformation?

Digitale Transformation bezeichnet den Prozess der Nutzung digitaler Technologien, um neue oder bestehende Geschäftsprozesse, Kultur und Kundenerfahrungen zu verändern und zu verbessern. Sie betrifft nicht nur Unternehmen, sondern auch die Gesellschaft als Ganzes, einschließlich der Art und Weise, wie Menschen kommunizieren, arbeiten und ihr tägliches Leben gestalten.

Seit wann sprechen wir in Deutschland von der „Digitalen Transformation“?

Die Digitalisierung ist kein Kind des 21. Jahrhunderts. Wirklich begonnen hat die Geschichte der Digitalisierung in den 1930er und 1940er Jahren. Von der Digitalen Transformation sprechen wir ca. seit den 1990er in Deutschland, wobei die Diskussion mit der zunehmenden Verbreitung des Internets und mobiler Technologien an Fahrt gewann. Der Begriff selbst hat jedoch erst in den letzten zehn Jahren (etwa ab den 2010er Jahren) breitere Aufmerksamkeit in Wirtschaft, Politik und Medien erlangt.

Zur Erinnerung: Bereits im 18. Jahrhundert wurden Lochkarten zur Steuerung von Webstühlen verwendet. Im Kontext der Computertechnologie wurden sie ab dem späten 19. Jahrhundert eingesetzt. Das Internet, wie wir es heute kennen, entwickelte sich aus dem ARPANET, dessen erste erfolgreiche Nachrichtenübertragung im Jahr 1969 stattfand. Das erste iPhone wurde von Apple im Jahr 2007 eingeführt. Während es Formen sozialer Netzwerke online schon in den 1990er Jahren gab, begann der Aufstieg der heute bekannten Sozialen Medien mit Plattformen wie MySpace (gegründet 2003) und Facebook (gegründet 2004).

Wie hat sich die digitale Ethik entwickelt?

Digitale Ethik befasst sich mit den moralischen Fragen rund um die Nutzung digitaler Technologien und Daten. Mit dem Aufkommen des Internets und später der sozialen Medien, Künstlichen Intelligenz (KI) und Big Data, haben sich die Themen und Herausforderungen der digitalen Ethik erweitert. Fragen des Datenschutzes, der Informationsfreiheit, der KI-Ethik und des fairen Zugangs zu Technologie stehen im Mittelpunkt der Diskussion (vgl. auch meinen Beitrag Ethik, Moral und Ehre des digitalen Beirats im Fachmagazin Aufsichtsrat aktuell 04/2021 im Linde Verlag).

In welchem digitalen Zeitalter leben wir heute?

Wir leben derzeit im Zeitalter der Digitalisierung, das durch das ubiquitäre Vorhandensein von digitaler Technologie gekennzeichnet ist. Dieses Zeitalter umfasst die fortschreitende Integration von KI, maschinellem Lernen, dem Internet der Dinge (IoT), Cloud-Computing und Big Data in fast allen Lebensbereichen. Das Metaverse hat bereits seine Grenzen in das Land der bisher unvorstellbaren Möglichkeiten geöffnet.

Der digitale Beirat

Technologische Entwicklungen erfordern eine Digitalisierungsleidenschaft mit Freude an einer disruptiven Geisteshaltung zur Sicherung der Nachhaltigkeit und Zukunft des Unternehmens.

Der digitale Beirat fokussiert sich auf das Thema Digitalisierung im Unternehmen. Er fungiert als Berater und Enabler und kontrolliert, ob er als Aufsichtsgremium die richtigen Personen auf die richtigen Positionen im Unternehmen gesetzt hat: ausreichende Digitalkompetenz bei Neubesetzung im Beirat und im Vorstand, Schaffung separater Digital-Ressorts (CTO, CIO). Dadurch ermöglicht er eine umfassende und kontinuierliche Sicherstellung der erforderlichen Technologie- und Digitalstrategie im Unternehmen.

Der digitale Beirat ist der Garant für neues Denken. Frühere (analoge) Erfolgsrezepte greifen nicht mehr. Der digitale Beirat gewährleistet insbesondere in den obersten Führungspositionen innovative Vorgehensweisen. Dies bedingt eine vorausschauende und disruptive Geisteshaltung. Häufig müssen auch die vorhandenen Organisationsstrukturen verändert werden. Menschen müssen motiviert werden, ihre jahrelang gefestigten Komfortzonen zu verlassen. Silodenken wird aufgebrochen.

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Zusätzlich wird der Weg eines Unternehmens in eine neue digitale Welt oft von Hindernissen, Umbrüchen und innerer Verweigerung begleitet. Hier garantiert der digitale Beirat die Empathie, Änderungen herbeizuführen, ohne dabei die Unterstützung des bestehenden Führungsteams zu verlieren. All dies muss ein digitaler Beirat sicherstellen. Er muss kein IT-Experte oder Digital Native sein, um den künftigen Anforderungen auf Augenhöhe zu begegnen – auch wenn Digitalisierung und künstliche Intelligenz bei vielen Prozessveränderungen dominieren. Der digitale Beirat stellt die richtigen Detailfragen, z. B.: Wie viel soll bis Ende des Jahres über eine digitale Plattform verkauft werden? Wo ist unsere Lieferkette bisher noch nicht digitalisiert? Oder: Wie gewährleistet der Beirat in seiner eigenen Arbeit – zum Beispiel im Sitzungsmanagement – dass digitale Technologien mit dem Ziel höchster Effizienz und Sicherheit zum Einsatz kommen?

„Der digitale Beirat bringt vor allem auch ein Netzwerk aus der Digitalszene mit. Die Unternehmen, die er als Beirat begleitet, profitieren von seinem Netzwerk und erhalten Zugang zu Ressourcen, die ihnen sonst oft verborgen bleiben. Die Unternehmen vermeiden Fehlentscheidungen bei der Auftragsvergabe und kommen schneller zu Lösungen“, unterstreicht dies Ralf Lauterbach, Gründer der Deutschen Digitalen Beiräte.

Der digitale Beirat trägt somit einerseits zur Innovationsfähigkeit des Unternehmens bei, stellt aber andererseits auch sicher, dass die eigene Sinn- und Werteorientierung des Unternehmens im Bewusstsein der Mitarbeiter zu einem sensiblen Umgang mit KI-Technologien und Algorithmen führt. „Vorrang menschlichen Handelns und menschliche Aufsicht“ auch beim „Internet der Dinge.“

Nach der digitalen Transformation erwarten uns Entwicklungen, die noch stärker Künstliche Intelligenz, fortgeschrittene Automatisierung, Quantencomputing, erweiterte Realität (Augmented Reality, AR) und virtuelle Realität (VR), sowie nachhaltige digitale Lösungen fokussieren. Themen wie digitale Souveränität, Ethik der KI, Datenschutz bzw. Datensicherheit und Cybersicherheit werden zunehmend wichtiger.

Was kommt nach der KI?

Die Zukunft nach KI könnte Technologien umfassen, die noch stärker in das menschliche Leben integriert sind und möglicherweise eine neue Ära der Mensch-Maschine-Interaktion einleiten. Dazu könnten Entwicklungen gehören, die auf einer Verschmelzung von biologischer Intelligenz und künstlicher Intelligenz basieren, wie z. B. neuronale Schnittstellen, die direkte Kommunikation zwischen dem menschlichen Gehirn und Computern ermöglichen (vgl. Neuralink von Elon Musk). Die genaue Richtung dieser Entwicklungen ist jedoch spekulativ und hängt von zahlreichen Faktoren ab, einschließlich ethischer Überlegungen und technologischer Durchbrüche.


Die vorstehenden Gedanken sind der folgenden Publikation entnommen

  • „Ethik, Moral und Ehre des Digitalen Beirats“, Aufsichtsrat aktuell 4/2021, Seite 149 ff, Linde Verlags in Wien – vgl. https://www.ruter.de/?p=5481

Zum Autor

Rudolf X. Ruter ist Wirtschaftswissenschaftler, Autor, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Finanzexperte im Sinne des AktG und Unternehmensberater und gilt als einer der anerkanntesten Fachexperten für das Thema Corporate Governance in Deutschland.

Er ist derzeit u. a. Mitglied der Expertenkommission des Deutschen Public Corporate Governance – Musterkodex und Mitglied des Beirats Financial Experts Association e.V. (Berufsverband für Aufsichtsräte), der Beiräte Baden-Württemberg und Mitglied der Deutschen Digitalen Beiräte.

Er hat zahlreiche Publikationen veröffentlicht und moderiert den zweiwöchigen Livestream / Video / Podcast „Aufsichtsrats-Talk“ bei Directors Academy.

Titelbild: Shutterstock / Fizkes

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