Digitalisierung: Gibt es eine Lücke zwischen Vertrauen und Innovation in der digitalen Welt?
Ein Gastbeitrag von Dr. Dirk Schlesinger (TÜV SÜD)
Die Digitalisierung ist in vollem Gange: Alle zwei Jahre kommt eine neue Generation digitaler Produkte auf den Markt. Diese Produkte sind zunehmend mit Diensten und anderen Geräten verbunden. Schon bald werden wir über sämtliche Geräte Inhalte teilen und so ein „Internet der Dinge“ („Internet of Things“) schaffen.
Mit zunehmender Komplexität der digitalen Welt haben es Unternehmen jedoch immer schwerer, dieser Komplexität Herr zu werden. Mehr noch: Die Herausforderung liegt darin, diese komplexen Sachverhalte so darzulegen, dass Menschen die Entscheidungen, das dynamische Umfeld und die Kompromisse verstehen, die sie zwangsläufig in einer digitalen Welt eingehen müssen.
Das ist jedoch noch nicht überall so – in vielerlei Hinsicht befinden wir uns damit immer noch im „wilden Westen“ der Digitalisierung.
Läuft der Fortschritt dem Vertrauen der Kunden davon?
Daten sind der Treibstoff unseres digitalen Ökosystems. Sie sind die Schlüsselressource und das entscheidende Element, von dem alles Vertrauen abhängt. Allerdings wird häufig davon ausgegangen, dass Datenverarbeitung nur etwas für einige wenige „Eingeweihte“ ist, während sich die Konsumenten gleichzeitig fragen, wem sie angesichts der zahlreichen Datenschutzverletzungen überhaupt noch vertrauen können.
Daten sind eine ungemein wertvolle Ressource – und wie alle wertvollen Ressourcen können auch sie gestohlen, verfälscht und manipuliert werden. Es ist also unsere Pflicht, das Potenzial des Digitalen nutzbar zu machen und dabei Daten- und funktionale Sicherheit herzustellen und Interoperabilität von Dingen und Diensten zu verbessern. Die Fähigkeit, diese Herausforderung den Kunden bewusst zu machen, ist ein wesentlicher Bestandteil des Vertrauens in die digitale Wirtschaft.
Wie viele andere New-Economy-Giganten unserer Zeit setzt auch Google weiterhin auf von Menschen erzeugte Informationen. Wo auch immer sich Konsumenten aufhalten, wollen sie Zugang zu ihren persönlichen Daten; was auch immer sie tragen, sie wollen Zugang zu Daten-Dienstleistungen; was auch immer sie tun, sie wollen sich mit Gleichgesinnten oder Experten vernetzen und das immer schneller, einfacher und in immer neuen Domänen.
Passiert die Digitalisierung zu schnell?
Doch sogar Google-CEO Sundar Pichai musste kürzlich zugeben, dass „Menschen womöglich gar nicht wollen, dass die Dinge sich zu schnell verändern.“ Mit seiner Aussage bezog sich Pichai auf Googles neue „Artificial Intelligence first“-Mission. Künstliche Intelligenz (KI) ist derzeit vermutlich die weltweit heikelste Innovation. Er sagte: „So wie ich das sehe, sind die Leute im (Silicon) Valley besessen von der Geschwindigkeit, mit der sich Technologien verändern.“
Weniger Augenmerk legen viele Firmen derzeit in ihrem Innovationsdrang auf die nötigen verständlichen und nachvollziehbaren Erklärungen ihrer Dienste, die auf Kundenseite Vertrauen schaffen würden. So befürchten beispielsweise viele Konsumenten, dass die KIs von Amazon, Google und anderen Unternehmen sie durchgehend belauschen und sogar ihr Verhalten vorhersagbar machen.
Vertrauen in den Fortschritt fängt mit Kommunikation an
Während Verbraucher sich darüber Gedanken machen, welche persönlichen und geschäftlichen Bedürfnisse durch innovative Datendienstleistungen abgedeckt werden können, müssen sie auch die damit verbundenen ökonomischen und sozialen Ängste verstehen und bewerten können. Dafür müssen Unternehmen Zusammenhänge erklären, Kunden aufklären und in einen offenen Dialog treten. Nur so können die Konsumenten unvoreingenommen dazulernen und dem Fortschritt vertrauen oder sich sogar für ihn einsetzen.
Ich stelle mir vor, dass Unternehmen wie der TÜV SÜD in einer letztendlich auf Vertrauen und Daten basierenden Wirtschaft als neutrale und ehrliche Vermittler fungieren und so dabei helfen, das komplexe Gleichgewicht der Sicherheit zwischen Konsumenten und Innovatoren aufrecht zu erhalten.
So, wie wir die Fragen der Konsumenten verstehen, sehen wir auch die Bedenken der Innovatoren. Derjenigen, die daran arbeiten, die Grenzen von des heute Machbaren zu verschieben, um die Gesellschaft vorwärts zu bringen, die sich aber oft von Aufsichtsbehörden gehemmt fühlen. Unsere Aufgabe ist es nicht, diese Ambitionen zu unterdrücken, sondern sicherzustellen, dass die Gesellschaft für sie bereit ist. Daher arbeiten wir mit den „Machern“ digitaler Produkte zusammen, um unsere gemeinsame Zielsetzung abzustecken und darzulegen. Gleichzeitig versuchen wir auch, das Verständnis der Öffentlichkeit dafür stärken, wie Digitalisierung und Innovation unser Alltagsleben sicher bereichern können.
Auf diese Weise kann Vertrauen ebenso so schnell aufgebaut werden, wie Innovationen entstehen.
Über den Autor
Dr. Dirk Schlesinger ist seit 2016 Chief Digital Officer (CDO) der TÜV SÜD AG. Seine Aufgabe ist es, die digitale Transformation des Konzerns weiter voranzutreiben. Dazu zählt unter anderem der Aufbau des weltweit operierenden Bereichs Digital Service. Weitere Informationen zu den digitalen Dienstleistungen von TÜV SÜD gibt es im Internet unter www.tuev-sued.de/digital-service.
(Foto: obs/TÜV SÜD AG/VIRGIL VIDAL)
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